Die GenossInnen von Perspektive Kommunismus haben eine Auswertung zu Ende Gelände geschrieben, die wir niemanden vorenthalten wollen. Auch interessant in dem Zusammenhang: Unser Debattenbeitrag zum Thema Klimagerechtigkeit.
Vom 26. bis zum 28. September fanden die Aktionstage von Ende Gelände statt. In dieser Zeit blockierten rund 3000 bundesweit angereiste AktivistInnen Kohle- und Gasinfrastruktur im Rheinland. Zahlreiche Kraftwerke, der Tagebau, eine Baustelle und einiges mehr wurden für einige Stunden besetzt. Wir haben aus verschiedenen Städten mobilisiert, waren Teil der Aktionen und haben uns in die Organisierung von Fingerstrukturen eingebracht.
Klimaschutz selbst in die Hand nehmen!
Kohleförderbänder, Kraftwerkszufahrten, Gleisstrecken – Während der Aktionstage konnte sensible Infrastruktur des Energiekonzerns RWE an verschiedenen Punkten für einige Stunden blockiert werden. AktivistInnen besetzten darüberhinaus einen Gutshof in Keyenberg, das neben 5 weiteren Dörfern von RWE für den Tagebau zerstört werden soll. Die Aufteilung in zahlreiche eigenständige Camps, Blockade- und Aktionsfinger ermöglichte parallele Aktionen und konnte dazu genutzt werden, außerhalb des Bullenradars zu agieren.
Wir haben uns in einer koordinierten Aktion mit über 100 AktivistInnen Zugang zum Kraftwerk Weisweiler, einem der klimaschädlichsten Kraftwerke Deutschlands, verschafft. Bullen, die uns während dem Eindringen in das Kraftwerksgelände schon angriffen und einen Teil des Fingers außerhalb des Geländes kesselten, konnten nicht verhindern, dass Zaun und Nato-Draht geöffnet wurden und der Großteil der AktivistInnen die Kohleförderbänder in unmittelbarer Nähe für bis zu zwei Stunden besetzten und damit außer Kraft setzten. Die verhältnismäßig schnell veranlasste Räumung übernahm eine Einheit des bayrischen USK. Es ist kein Zufall, dass Spezialbullen aus dem ganzen Bundesgebiet aufgefahren wurden, um den Schutz sensibler Konzerninteressen möglichst zügig und kompromisslos durchzusetzen.
Weitere GenossInnen organisierten sich in einem Finger, der bei der Zugabfahrt am Bahnhof in Köln-Ehrenfeld in Richtung Kohlerevier – Ziel war die Blockade von Förderbändern eines Kohlebunkers – von einer BFE-Einheit aus Berlin angegriffen wurde. Nachdem den Bullen die Mitfahrt verweigert wurde, griffen sie die AktivistInnen im Zug immer wieder mit Faustschlägen, Schmerzgriffen, Fußtritten und gezielten Kniestößen zwischen die Beine an. Erst nach mehrmaligen Angriffen, denen die AktivistInnen trotz teils erheblicher Verletzungen Stand halten konnten, schafften sie es den Zug zu stürmen.
Im weiteren Verlauf kam es in beiden Fällen zu stundenlangen Kesseln, und für einen großen Teil der AktivistInnen zur willkürlichen Aufteilung auf Gefangenensammelstellen. Vollständige Entkleidung und Durchsuchung, verschiedenste Schikanen und leere Drohungen sollten bis in die späte Nacht hinein kompensieren, dass die Bullen nur einige wenige Personalien von den hunderten Gefangenen feststellen konnten. Verklebte Fingerkuppen und fehlende Dokumente zur Identitätsfeststellung verhinderten eine unmittelbare Identifizierung.
Ein großer Teil der in Köln-Ehrenfeld festgenommenen AktivistInnen wurde in Folge dessen und wegen der Überlastung der Bullen lediglich abfotografiert und anschließend als Unterbindungsmaßnahme mit Bussen in die Nähe von Siegen verfrachtet und dort freigelassen. Nach gemeinsamer Bahnfahrt zurück hielt der Finger am Bahnhof Viersen eine spontane Kundgebung ab. Im Redebeitrag wurde der brutale Angriff am Morgen politisch eingeordnet: Als Ausdruck eines bürgerlichen Staates, der sich auf das Profitmodell und die Infrastruktur der (Kohle-)Konzerne stützt und jeden ernstgemeinten Widerstand kompromisslos beantwortet, um schon den Keim gegenläufiger Perspektiven zu ersticken. Aber auch als Zeichen dafür, dass der Widerstand die Herrschenden offensichtlich stört und gerade deshalb stärker und ausgeweitet werden muss. Es folgte eine unangemeldete, kämpferische Demo über Bundesstraßen und durch Wohngebiete mit vielen positiven Reaktionen der AnwohnerInnen zurück zum Ausgangs-Camp des Fingers.
In beiden Fingern haben wir auf den Camps und während den Blockaden eine Aktionszeitung mit Texten zum Zusammenhang von Klima und Kapitalismus und mit Kreuzworträtsel zum Zeitvertreib verteilt.
Wie weiter?
Wenn es aber nicht bei einzelnen Wochenenden bleiben soll und wir die Klimakrise aufhalten wollen, dann müssen wir verstehen, dass sie ein Produkt des Kapitalismus selbst ist. Der kapitalistische Wettbewerb zwischen den Konzernen und der daraus folgende Zwang immer mehr und immer billiger zu produzieren lassen sich einfach nicht mit einer Welt mit begrenzten Rohstoffen kombinieren. Die erzwungene Verfügungsgewalt über fossile Energieträger durch imperialistischen Staaten und ihre Konzerne hält ganze Regionen dieser Erde in Armut, Abhängigkeit und Krieg. Und auch innerhalb der imperialistischen Staaten ist das Verhältnis kein grundsätzlich anderes: Der RWE-Konzern hat nicht nur die bürgerlichen Politik-Spitzen im Rücken, er finanziert nebenbei hunderte KommunalpolitikerInnen, macht seine Werksbusse zu Gefangenentransportern für die Bullen und hat den staatlichen Segen für die Zerstörung ganzer Dörfer.
Appelle an die Vernunft der Kapitalisten doch endlich einzusehen, dass ihre Art zu produzieren unserem Klima und letzten Endes uns allen schadet sind da genauso wirkungslos, wie die die Hoffnung, dass die bürgerliche Politik endlich mal eingreift und etwas wirklich sinnvolles für den Klimaschutz tut.
Klimakampf ist Klassenkampf!
Bis zur Enteignung der Konzerne ist es noch ein weiter Weg. Das ist aber kein Grund nicht heute schon den Kampf aufzunehmen. Die aktuell erstarkenden Kämpfe der Klimabewegung werden sicher immer wieder kleinere Erfolge erzielen können. Die koordinierten, selbstbestimmten und massenhaften Aktionsformen begreifen wir als wichtiges Experimentier- und Lernfeld, es werden aber Abwehrkämpfe und Teilerfolge bleiben, solange die kapitalistische Klassenherrschaft aufrecht erhalten bleibt.
Die Aktionen von Ende Gelände bieten das Potenzial konkrete Aktion mit gesellschaftlicher Perspektive zu verbinden. Dass AktivistInnen tatsächlich empfindliche Punkte in den Produktionsstätten besetzen ist ein erster Hauch von demokratischer Durchsetzung der Bedürfnisse der entmündigten Menschen. Dass die Auseinandersetzung hier in industriellen Großkonzernen stattfindet, deren Funktionieren – und vor allem deren grundsätzliche Veränderung – letzten Endes von denjenigen abhängt, die dort arbeiten,verdeutlicht wie wichtig ein klarer Bezug zu den Interessender ArbeiterInnen ist, wenn wir unsere klimapolitischen Ansprüche ernst nehmen. Das ist eine Erkenntnis, die auf jeden wirtschaftlichen Bereich zutrifft, der im Kapitalismus nicht nachhaltig und ressourcenschonend organisiert wird. Deutlich wird am Beispiel von Ende Gelände aber auch, wie weit wir noch davon entfernt sind, die gemeinsamen Interessen von ArbeiterInnen und Klima-AktivistInnen in einem gemeinsamen Handeln zum Ausdruck zu bringen.
Mit unserem Motto zu den Aktionstagen „Als Klasse: organisieren, streiken, (Energiekonzerne) enteignen!“ wollen wir vor allem dafür eintreten, diese gemeinsame Perspektive von politischer Bewegung und ArbeiterInnenschaft in den Fokus zu rücken und klar machen: Was RWE ArbeiterInnen genauso wie FFF-SchülerInnen von einer lebenswerten gesellschaftlichen Perspektive trennt, sind die Konzerninteressen von RWE und Co. und deren staatliche Rückendeckung. Materielle und ökologische Zukunftsängste sind zwei Seiten der gleichen kapitalistischen Medaille und getroffen werden immer in erster Linie diejenigen, die sich nicht einfach aussuchen können, wo sie arbeiten, oder wie sie sich den Auswirkungen der Klimazerstörung individuell entziehen können: Die Lohnabhängigen.
Die Ansätze für eine gemeinsame Kampfgrundlage liegen noch nicht offen vor uns, sondern müssen entgegen sozialpartnerschaftlicher Gewerkschaftspolitik und selbstgefälliger linker Politik ohne Klassenbezug entwickelt werden. Die Kämpfe für Arbeitsplatzsicherung im Kohleausstieg, für die staatliche Unterstützung der ArbeiterInnen, nicht der Konzerne, für die Mitbestimmung über die Transformation der Energiewirtschaft sind dabei zwar noch kaum entfaltet, perspektivisch aber ebenso wichtig, wie der militante Widerstand gegen die konzerngetriebene Umweltzerstörung.
Heute schon für Morgen kämpfen!
Die Antwort liegt nicht in individuellen Lebensweisen, nicht in der Hoffnung auf die Einsicht der Verantwortlichen und erst Recht nicht in den Sitzreihen der Parlamente. Die Antwort ist der handfeste Kampf für eine neue Art gesellschaftlich zu wirtschaften, demokratisch zu entscheiden was und wie produziert wird. Demokratische Planwirtschaft kann aber nur gegen den Kapitalismus, seinen Staat und die Entscheidungsträger dieser Gesellschaft und nur mit der Mehrheit der ArbeiterInnen erkämpft werden. Diese Veränderung hin zu einer bewussten und nachhaltigen Nutzung unserer Ressourcen wird nur möglich wenn ein radikaler Bruch mit den Eigentumsverhältnissen durch die Ermächtigung der ProduzentInnen durchgesetzt wird.