Am 16. September findet in Köln zum ersten Mal der „Marsch für das Leben“ statt. Dort versammeln sich christliche Fundamentalist:innen und andere konservative und reaktionäre Kräfte, um gemeinsam für eine Verschlechterung der Abtreibungsbedingungen, gegen Pränataldiagnostik und auch gegen Queere Menschen zu demonstrieren. Wir halten feministischen Protest gegen den „Marsch für das Leben“ für notwendig und haben uns einige Gedanken zu den Fundamentalist:innen, der Situation des Abtreibungsrechts, der allgemeinen Situation der Frauen und Queeren Menschen, sowie der feministischen Kämpfe in der BRD gemacht. Wir möchten mit diesem Text einen Beitrag zur Schaffung eines revolutionären Bewusstseins in feministischen Kämpfen allgemein und in den Kämpfen gegen den „Marsch für das Leben“ leisten.
Es ist uns wichtig erst einmal ein paar grundlegende Anschauungen zu der Unterdrückung der Frau dar zu legen.
Frauen werden im Kapitalismus immer noch dazu gezwungen, die Reproduktionsarbeit zu verrichten. Also die Arbeiten, die notwendig dafür sind, dass der kapitalistische Produktionsprozess möglich ist und vorangetrieben wird. Das bedeutet Kinder zu gebären, zu kochen und den Haushalt zu schmeißen. Eben jene Arbeit zu leisten, die abseits der eigentlichen Arbeitsstätten passieren muss, damit am nächsten Tag und im nächsten Jahrzehnt alles seinen gewohnten Gang gehen kann. Dafür ist auch das Nachkommen an neuen Generationen von Arbeiter:innen notwendig. Deshalb werden Frauen dazu gedrängt Kinder zu gebären, zu erziehen, zu pflegen und zu lieben.
Während der Industrialisierung wurden zusätzlich mehr und mehr Frauen in den Produktionsprozess eingebunden. Daraus folgte aber keineswegs die gerechte Organisierung der Reproduktionsarbeiten. Es zementierte sich eine doppelte Ausbeutung. Doppelt deshalb, weil Frauen auf der einen Seite nach wie vor die (unbezahlten) Reproduktionsarbeiten verrichten, auf der anderen Seite aber eben auch Lohnarbeit leisten.
Bis heute ist für das Maß der Ausbeutung die Klassenzugehörigkeit entscheidend:
Während sich reiche Frauen es leisten können für eine Abtreibung in die Niederlande zu reisen, können das arme Frauen nicht. Während es sich reiche Frauen herausnehmen können ihre Hausarbeit auf meist migrantische Putzkräfte abzuwälzen oder sogar ganze Schwangerschaften und die damit verbundenen Schmerzen und Risiken auszulagern, müssen arme Frauen selbst Putzen und die Risiken ihrer Schwangerschaften selbst tragen.
Wir fassen also zusammen: Das Bestehen des Kapitalismus ist nur durch die ökonomische Ausbeutung der Lohn- und Hausarbeitenden Frauen zu gewährleisten. Um also die Ausbeutung der Frauen zu sichern, hat sich ein ganzheitliches Unterdrückungssystem entwickelt und etabliert, welches durch die verschiedensten (auch gewalttätigen) Mechanismen die Rolle der Frauen sichert: das Patriarchat.
Doch wir sind dem nicht hoffnungslos ausgeliefert! Denn die feministischen Bewegungen der Geschichte habe zahlreiche Verbesserungen der Situation der Frauen im Kapitalismus erkämpft. Diese Verbesserungen haben sich dabei stets in Form von Reformen manifestiert, seltener auch in Form einer Bewusstseinsänderung in Teilen der Gesellschaft. Das Frauenwahlrecht hat zu einer teilweisen Integration von Frauen in das politische Leben geführt. Das Arbeitsrecht für Frauen, frei von gesetzlich gesicherter Einmischung der Männer, hat zu einer größeren finanziellen Unabhängigkeit von Frauen* gegenüber den Männern geführt. Sexueller Missbrauch, auch in der Ehe, ist in der BRD verboten und unter Strafe gestellt. Die schrittweisen Reformen im Abtreibungsrecht haben seitdem zahlreichen Frauen eine medizinisch betreute Abtreibung ermöglicht und stellenweise vor schwerwiegenden ökonomischen und gesundheitlichen Problemen geschützt. Das alles sind (mal mehr mal weniger) reelle und spürbare Verbesserungen der Situation von Frauen. Diese Reformen sind wichtig und sollten als Teilerfolge von kämpfenden feministischen Bewegungen auf dem Weg zu einer vollständigen Befreiung der Frau gesehen und anerkannt werden.
Dennoch haben all diese Reformen nicht zu einer auch nur ansatzweisen zufriedenstellenden Gesamtsituation geführt. Das liegt an dem Mittel der Reform selbst: Das Frauenwahlrecht führt im Endeffekt nur dazu, dass Frauen wählen können, ob ihre Unterdrückung von außen gelb, schwarz oder grün aussieht. Es hat dazu geführt das Frauen wählen können, ob Kriegswaffen von einer „feministischen“ Außenpolitikerin oder von einem normal imperialistischen Außenminister in Kriegsgebiete geliefert werden. Keine der populären Parteien vertritt eine ernsthafte (grundlegende) feministische Politik. Feministische Forderungen werden höchstens im Wahlkampf aufgestellt, jedoch niemals verfolgt, sobald es an die Regierung geht. Das Recht darauf das Frauen ihre Arbeit frei von den Männern wählen dürfen bleibt in höchsten Maße theoretisch und hat de facto zur Doppelausbeutung durch Haus- und Lohnarbeit geführt. Denn nach wie vor wird die Reproduktionsarbeit im privaten (die eigenen Kinder erziehen, kochen, putzen, etc.) als auch im gesellschaftlichen (Pflegeberufe, Erziehungsdienst, etc.) Bereich maßgeblich von Frauen verrichtet. Dabei bekommen sie entweder keinen oder nur einen verbrecherisch geringen Lohn. Sexueller Missbrauch steht zwar unter Strafe, die Gewalt an Frauen verhindert das allerdings nicht und der Staat zeigt auch wenig bis gar kein Interesse daran dies zu verhindern. Alle Ansätze von Schutz gegen Gewalt an Frauen müssen sich damit auseinandersetzen, dass ihnen kontinuierlich die Gelder und Einrichtungen gestrichen oder gekürzt werden.
Und auch die schrittweisen Reformen des Abtreibungsrechts haben im Kern nichts an dem Zustand geändert, dass der Staat nach wie vor aktiv in die körperliche Selbstbestimmung von Schwangeren eingreifen darf – und dies auch tut. Abseits davon, dass der Prozess hin zu einer Abtreibung für die allermeisten Schwangeren mit großen Schikanen, Torturen und einer enormen psychischen Belastung verbunden ist, wurden bis vor zwei Jahren diejenigen Ärzt:innen und Vereine, die über Abtreibungen Informieren mit Repressionen überzogen und strafrechtlich verfolgt – mit Hilfe des § 219b, der vom Hitlerfaschismus aufgestellt und mit Gründung der BRD direkt übernommen wurde.
All das zeigt uns, dass sich an der grundlegenden patriarchalen Ordnung auch durch Reformen nichts gerüttelt hat. Dies ist keine Überraschung und sollte uns nicht verwundern. Denn es ist der Kapitalismus, der die patriarchale Ordnung aufrecht erhält. Wie wir bereits festgestellt haben, ist der Kapitalismus auf die unbezahlte Reproduktion der Gesellschaft angewiesen und schafft dadurch die ökonomische Grundlage für den Erhalt des Patriarchats. Teil der Reproduktion ist auch das Nachkommen von neuen Generationen an Arbeiter:innen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die körperliche Selbstbestimmung und die eigene Entscheidungsmacht über Schwangerschaftsabbrüche nicht gegeben ist. Wir sehen vor allem international, dass die erkämpften Rechte immer wieder angegangen werden, wie bspw. durch repressive Abtreibungsgesetze in Polen, oder das komplette Verbot von Abtreibung in bereits 7 US-Bundesstaaten.
Wir brauchen eine Änderung der materiellen, greifbaren Grundlage, der Art und Weise, wie wir als Gesellschaft produzieren und reproduzieren. Diese Änderungen können wir nicht mit den jetzigen Profiteuren dieses Systems erreichen. Wir müssen eine Änderung gegen sie erkämpfen, denn die Profiteure des Kapitalismus verteidigen die bestehenden Verhältnisse mit allen Mitteln. Bei der Erkämpfung einer tiefgreifenden Veränderung spielen die Frauen eine besondere Rolle. Wie bereits erwähnt zeigt sich diese besondere Rolle schon historisch, denn an fast allen revolutionären Bewegungen weltweit waren maßgeblich Frauen beteiligt. Und auch heute ist dies noch aktuell, weil die lohnarbeitenden Frauen ebenso wie die Arbeiter produzieren, aber eben auch noch reproduzieren – bei gleichzeitiger härtester Ausbeutung. Ihnen werden im Vergleich zu den Männern bedeutet weniger Freiheiten zu gestanden. Das Patriarchat hat bereits einen derartig gefestigten Stand im Bewusstsein der Menschen, sodass schon in den Kämpfen für ein Ende der Ausbeutung eine aktive Beteiligung der Frauen und eine konkrete feministische Ausrichtung etabliert werden muss. Wir fassen also zusammen: es braucht eine Revolution, um die Grundlage für ein Ende der Ausbeutung der Frau zu schaffen. Diese Revolution muss feministisch sein, also die konkrete Situation der Frauen mit höchster Priorität beinhalten. Diese Revolution begreifen wir als die Zusammenführung aller Kämpfe hin zu einem Kampf der mit der unmittelbaren Aussicht auf einen Sieg an allen Fronten und in vollster Ausdehnung geführt wird.
Wir wollen, dass die gesellschaftlich notwendigen, reproduktiven Arbeiten so organisiert sind, dass sie sich tatsächlich am Wohle aller Menschen orientiert und nicht am Profit einiger weniger. Wir wollen eine Daseinsfürsorge, die sich solidarisch und kollektiv nach den Bedürfnissen der Menschen richtet. Wir wollen, dass unser Zusammenleben auf Solidarität aufbaut und wir kollektiv die Kinderbetreuung, Angehörigenpflege und die Krankenpflege gestalten.
Daraus ergeben sich für uns jetzt schon einige Aufgaben: den Aufbau von kampffähigen und organisierten Bewegungen, die Ausrichtung auf eine Zusammenführung dieser Bewegungen und die Verankerung der revolutionären Notwendigkeit in den fortschrittlichen Kämpfen.
Der Kampf darf sich allerdings nicht nur auf die Herrschenden beziehen, sondern muss sich auch denen in den Weg stellen, die am radikalsten für die Verschlechterungen der Situation der Frauen einstehen. Radikale Fundamentalist:innen und andere rechte und reaktionäre Akteure, ganz aktuell, diejenigen die sich am Marsch für das Leben beteiligen, sind ein Angriff auf Errungenschaften von feministische Bewegungen und für die Präsens von feministischen Positionen innerhalb der Gesellschaft.
Die Fundamentalist:innen vertreten eine zutiefst konservativ Haltung. Sie wollen ein patriarchales Frauen- und Familienbild schützen das in der Geschichte lange Zeit hegemonial war und von der Kirche entwickelt wurde und bis heute weitgehend propagiert wird.
Sie sehen dieses Frauen- und Familienbild bedroht und tatsächlich haben die Reformen und Veränderungen des letzten Jahrhunderts im Bezug darauf ihre Vorstellungen weitgehend zurückgedrängt. Die Fundamentalist:Innen argumentieren zwar in höchstem Maße moralisch und irrationalistisch und entziehen sich damit jeglichem vernünftigen (sprich: materialistischen) Argument, wir dürfen deswegen aber keineswegs den Fehler machen ihre Forderungen nach einem Abtreibungsverbot nicht auch materialistisch zu begreifen. Die Fundamentalist:innen verteidigen ein zutiefst frauenverachtendes Menschenbild und versuchen damit auf eine noch viel repressivere Weise als es der bürgerliche Staat ohnehin schon tut, die Existenz der Ausbeutung der Frau zu. Zwar argumentieren sie ihre Rollenbilder und Vorstellungen höchst moralisch, im Grunde genommen halten sie allerdings an der knallharten materiellen Ausbeutung der Frau fest.
Es lässt sich bei einigen der Organisationen die sich am „Marsch für das Leben“ beteiligen ein tatsächlicher Herrschaftsanspruch feststellen. So zum Beispiel „Opus Dei“, die an ihren Universitäten die eigene Wirtschaftselite ausbilden und sie dann durch ihre Kontakte in die wichtigen Positionen der europäischen Finanzwirtschaft einsetzen, vergleichbar mit der Nachwuchsrekrutierung bei Burschenschaften. Oder die AfD, namentlich Beatrix von Storch, die seit Jahren die Fundamentalist:innen und ihr reaktionäres Menschenbild finanziert und an den Märschen in der vordersten Reihe mitläuft.
Wir müssen sie mit höchster Intensität und allen verfügbaren Mitteln angreifen, kurzum handlungsunfähig machen, weil ihre Politik die Lebensrealität von Frauen aggressiv angreift und die Bedingungen für den revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus erschwert.
Wir rufen dazu auf, sich an dem Kampf gegen den Marsch für das Leben zu beteiligen und sich darüber hinaus in feministischen und revolutionären Kämpfen zu organisieren. Denn auch wenn wir aktuell gegen einen übermächtigen Feind kämpfen, können wir zusammen gewinnen.
Ausführung beschrieben. Wir empfehlen deswegen die Lektüre von: “Patriarchale Unterdrückung im Kapitalismus und feministische Perspektiven”.
Für ein Ende der Ausbeutung!
Für Frauenkampf und Revolution!
Für den Kommunismus!