Mit den Bauernprotesten ist in den letzten Wochen und insbesondere seit dem 8. Januar eine neue Krisenprotestbewegung auf den Plan getreten, die uns als revolutionäre Linke erneut vor interessante Aufgaben stellt und die Möglichkeit bietet Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.
Wir möchten im folgenden ein paar grundsätzliche Thesen aufstellen die bei einer Bewertung dieser Proteste helfen sollen und einen Beitrag zur laufenden Debatte leisten.
1. Charakter der Proteste
Wir sehen die Bauernbewegung als kleinbürgerliche Bewegung an. Zwar gibt es einige Ausreißer nach oben, sprich auch einige Großbetriebe der Landwirtschaft beteiligen sich, aber der Großteil wird von den wenigen noch in der BRD bestehenden kleinen Landwirtschaftlichen Betrieben gestellt. Eine proletarische Bewegung ist es nicht, da die Landwirt:innen zwar selbst auch an der Arbeit beteiligt sind, aber über eigene Produktionsmittel verfügen (Maschinen, Acker, Lager, etc.) und Angestellte beschäftigen und deswegen eigene Interessen verfolgen. Wir können sie als „schwankende“ Klasse begreifen.
Die Kleinbauern beweisen mit den Protesten ein hohes Maß an Klassenbewusstsein. Ein Klassenbewusstsein das allerdings auf sehr dünnen Beinen steht. Sie sind wegen der zunehmende Monopolisierung der Landwirtschaft dauerhaft von Proletarisierung bedroht. Gab es 1950 in Deutschland noch rund 2 Millionen Bauernhöfe, sind es heute nur noch 250 Tausend, während die Zahl der landwirtschaftlichen Großbetriebe (über 100 Hektar Land) allein seit 2010 um 15% gestiegen ist. Denjenigen Bauernfamilien, die mit der Produktion der Großbetriebe nicht mehr konkurrieren können, müssen ihre Höfe und Äcker verkaufen und sich eine Anstellung suchen. Zusätzlich führt die Globalisierung des Nahrungsmittelmarktes dazu, dass sie ohne die enormen Subventionen eigentlich nicht mehr selbstständig überlebensfähig sind und das eben auch weil ein Großteil der Subventionen der EU nicht den Kleinbauern, sondern den Großbetrieben zur Güte kommt da die Vergabe der Subventionen an die Zahl der Hektar des Betriebes gebunden sind. Folgerichtig fühlen sich die Kleinbauern durch eine teilweise Zurücknahme der Subventionen in ihrer Existenz bedroht und gehen mit einem beeindruckenden Maß an Militanz auf die Straße. Diese Art der Proteste zeigte schon erste Wirkung und so nahm die Bundesregierung einen Teil der Kürzungen bereits zurück. Auch ein hohes Maß an Antagonie gegen die Regierung prägt den Protest. Allerdings gibt es keinen Konsens und keine vernehmbare Diskussion darüber was den nun die Alternative ist. Eine soziale und ansatzweise umfassende inhaltliche Perspektive haben die Proteste nicht. Dieser Charakter ist für die weitere Betrachtung essentiell.
2. Revolutionäre Perspektive
Wir können auch ohne die hypothetische Diskussionen einige revolutionäre oder zumindest antikapitalistische und anti-imperialistische Ansätze finden die notwendig sind um die Bauernproteste zu politisieren.
Der Grundgedanke das die Landwirtschaft eines Landes die eigene Bevölkerung ernähren können soll, um im Kriegs- und Krisenfall unabhängig von Importen zu sein, machen wir als Grund für die seit Jahrzehnten bestehenden Subventionen aus. Eine stückweise Streichung dieser Subventionen bedeutet allerdings einen Umdenken der herrschenden Politik. Das Haushaltsloch, das durch die Kürzungen gestopft werden soll, entsteht nicht zuletzt wegen der 100 Milliarden „Sondervermögen“ die für die imperialistische Expansion in der Ukraine und sonst wo gebraucht wird. Folgerichtig, denn auf die deutschen Kleinbauern kann man verzichten, wenn einem in der Ukraine die „Kornkammer“ nach dem Krieg offen steht. Anstatt also an einer Nahrungsmittelsicherung im eigenen Land festzuhalten, wird auf imperialistische Expansion gesetzt. Wir können hier eine Brücke schlagen und den Protest im Sinne eines Angriffs auf die imperialistische Politik der Ampel-Regierung politisieren. Außerdem können wir uns abstrakt auf den Grundgedanken der Subventionen berufen: „Wir wollen das unsere Landwirtschaft unsere Bevölkerung auch ernähren kann!“. Die besondere Rolle der Landwirtschaft wird damit betont und einer der wichtigsten Aspekte des bäuerlichen Klassenbewusstseins in Ablehnung der Regierungspolitik bestätigt.
3. Rein ins Handgemenge
Das radikalisierte Kleinbürgertum (in dem Fall die Bauern) stellt die Massenbasis des Faschismus. Deswegen ist es nicht falsch aus antifaschistischer Perspektive die Bauernproteste zu bespielen. Wir konnten in Köln bis jetzt weder eine Vereinnahmung der Proteste von rechts beobachten noch konnten wir organisierte Versuche dazu erkennen. Bei der Großdemonstration am 8. Januar waren vereinzelt faschistische Akteure vor Ort allerdings ohne politischen Ausdruck. Aufgefallen sind dagegen eher zahlreiche Aufkleber mit der Aufschrift: „Landwirtschaft ist bunt nicht braun“, herausgegeben vom Bauernverband, sowie in kleiner Zahl antifaschistische und klimapolitische Plakate der Bauern. In Langenfeld und Herford wurden Medienberichten zufolge AfD Politiker der Proteste verwiesen. Weil die Bauern aber einer „schwankende“ Klasse angehören und historisch gesehen immer wieder zum Faschismus tendierten, halten wir eine antifaschistische Praxis für relevant.
Allerdings funktioniert das nicht von Außen sondern am besten innerhalb der Bewegung. Wir können uns an den Protesten beteiligen und eigenen Perspektiven auf machen und damit die Gefahr der reaktionären Vereinnahmung eindämmen. Wir müssen als revolutionäre Linke in Köln anfangen uns in solche Krisenbewegungen einzumischen ohne uns komplett darin zu verlieren. Es ist fraglich wie lange die Bauernproteste ohne größere Perspektive anhalten werden und wie die Schlichtungspolitik der Regierung ausfallen wird. Für Montag den 15. Januar sind bereits Gespräche zwischen der Ampel und den Bauernverbänden angekündigt.